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INTERMITTIERENDE ORGONOMISCHE INTENSIVBEHANDLUNG
Richard Schwartzman, D.O.
The Journal des Orgonomy vol. 20/2, 1986 The American College of Orgonomy
Medizinische Orgontherapie ist die wirkungsvollste Methode, die man gegenwärtig kennt, um einen Menschen in bessere Übereinstimmung mit seiner wahren Natur zu bringen und sein Funktionsniveau zu erhöhen. Durch diese Methode, die die Kunst der Charakteranalyse mit direkter biophysischer Arbeit verbindet, wird der Organismus langsam aus seiner chronischen Kontraktion gelöst. Mit dieser Auflösung der Panzerung kommt es zu einem besseren Kontakt zum eigenen Selbst und zur Umwelt. Der verbesserte Kontakt und der damit einhergehende Zuwachs an Energie, erlauben es der oder dem Betroffenen, das Leben im Rahmen der individuellen Struktur und einzigartigen Befähigungen besser auszukosten.
Aber die Therapie schreitet zu langsam voran. Ich bezweifele, daß es einen praktizierenden Therapeuten gibt, der sich nicht überlegt hat, was getan werden könnte, um das Verfahren zu beschleunigen. Auf der anderen Seite muß Therapie langsam voranschreiten, weil die Neurose strukturell verankert ist. Außerdem wissen wir, daß der Panzerungsprozeß mindestens mit der Geburt und höchstwahrscheinlich schon früher beginnt. Wir sind uns bewußt, daß eine Veränderung nur so schnell erfolgen kann, wie es der Organismus toleriert und daß der Anstieg von Energie und, als Konsequenz davon, die zunehmende Wahrnehmung von Gefühlen und Emotionen und umfassenderer Kontakt nur mit dieser Geschwindigkeit hergestellt und integriert werden kann. Die Problematik der Wiederherstellung gesunden Funktionierens reicht tiefer als das bloße Abbauen von Panzerung; sie erstreckt sich auf die Umwelt, die dazu beiträgt, die Kontraktion aufrechtzuerhalten. Der Wahnsinn der neurotischen Welt wirkt auf uns dergestalt ein, daß ein gesundes Funktionieren hintertrieben wird. Nicht zu vergessen ist die ständig präsente DOR-beladene Atmosphäre, die unsere Energie abtötet und unsere Fähigkeit zur Expansion begrenzt. Außerdem hat jeder Therapeut seine Begrenzungen, die auf den Behandlungsprozeß einwirken und ihn erschweren.
Baker schreibt in Der Mensch in der Falle (1), daß, "noch zu wenige Menschen die Annäherung an Gesundheit (erreichen), die wir orgastische Potenz nennen." Daß zu wenige sie erreichen, ist jedoch kein Grund, die Genitalität als Maßstab für Gesundheit aufzugeben. Genitalität ist nicht bloß ein nützliches theoretisches Konzept ohne praktische Folgen. Reich war ein Theoretiker ohne gleichen, aber seine Theorien erwuchsen aus seiner klinischen Erfahrung und das Erreichen der Genitalität durch die Behandlung war ein Faktum, bevor es die entsprechende Theorie dazu gab. Daß sie manchmal auftritt, dient dazu, die Gültigkeit der Theorie zu bestätigen und die Korrektheit einer Behandlungsmethode zu unterstreichen, die die Panzerung auflöst, so daß sich die Energie konzentrieren und durch das Genital entladen werden kann.
Charaktertypen treten selten in reiner Form ohne Beimischung auf und eine Diagnose basiert auf dem oder den vorherrschenden Gebieten segmentärer Panzerung. Genitalität ist ein Zustand, in dem man überwiegend als genitaler Charakter funktioniert und jene Eigenschaften aufweist, die von Reich (2) und später von Baker (1) beschrieben wurden. Der genitale Charakter drückt sich in Übereinstimmung mit seiner ihm eigenen Individualität aus, weil er, wie jede andere Charakterform, seine eigene einzigartige Persönlichkeit besitzt.
Die medizinische Orgontherapie hat ein reales Behandlungsziel: den Abbau der Panzerung und die Herstellung von Genitalität, in der sich die orgastische Potenz verwirklicht. Obwohl nicht routinemäßig erreichbar, dienen diese Parameter zur Definition gesunden Funktionierens und als objektiver Maßstab für den Fortschritt in der Therapie. Sie bieten neben dem subjektiven Eindruck, den der Patient von seinem verbesserten Funktionieren und sein erhöhtes Wohlbefinden hat, eine objektive Dimension. Änderungen an der Frequenz von Sitzungen und deren Abstand ändert nichts am Ziel der Behandlung. Reichs Entdeckungen bleiben bestehen und widerstehen ziemlich gut dem Test der Zeit mit Tausenden von behandelten Patienten. Seine Theorien benötigen keine Änderungen oder Neudefinitionen. Die Genitalität bleibt das Ziel, unabhängig davon, ob sie erreicht wird oder nicht. Wenn dieses Ziel durch die jetzt eingesetzten Methoden erreicht wird, fein. Wenn es durch modifizierte noch zu entdeckende Techniken oder Methoden schneller erreicht werden kann, wird das zweifellos eine Verbesserung darstellen. Aber die anvisierte Genitalität, ein Zustand, der qualitativ ist, bleibt Zielpunkt der Behandlung. Reich hat das ziemlich klar zum Ausdruck gebracht. Dennoch scheint es immer so zu sein, daß der Entdecker einer großen Wahrheit Schüler hat, die bereit sind, das wesentliche Element zu ändern: das Element, das im Zentrum der Entdeckung steht. Gemeint ist hier natürlich die Genitalität und die orgastische Potenz. Die Spanne der Änderungen reicht von denen, die die Bedeutung der Genitalität völlig ignorieren, über jene, die ihr ein bloßes Lippenbekenntnis erweisen, bis hin zu denjenigen, die sie anerkennen, aber auf eine subtilere Weise modifizieren (3). Meinungen, gefärbt durch den Charakter, werden als klinische Tatsache hingestellt. Jede mögliche Neudefinition verlangt nach genauster Überprüfung.
Ein erfolgreicher Behandlungsverlauf hängt von der Befähigung des Therapeuten ab, dem Ausmaß der Neurose des Patienten und vom Drang zur Besserung, den er in die Behandlung mitbringt. Im Rahmen dieser Abhandlung werde ich mein Augenmerk weniger auf die Befähigung des Therapeuten oder die Schwere der zu behandelnden Neurose, sondern mehr auf Frequenz und Abstand der Therapiesitzungen als ein den Fortgang der Therapie beeinflussendes Element richten. Erwähnt sei, daß der wichtigste Bestandteil für den erfolgreichen Ausgang der Behandlung der unermüdliche Antrieb des Patienten ist, gesund zu werden.
Ein Blick in die Literatur, die sich mit der Frequenz von Psychotherapie und dem Abstand zwischen den einzelnen Sitzungen befaßt, vermittelt kein eindeutiges Bild (4). Insgesamt scheint es jedoch eine gewichtige positive Korrelation zwischen Menge und Dauer der Behandlung und dem sich daraus ergebenden therapeutischen Nutzen zu geben.
Orgontherapie-Sitzungen werden gewöhnlich wöchentlich, manchmal jede zweite Woche angesetzt. Sowohl Reich als auch Baker hatten Gelegenheit, Patienten täglich über eine Zeitdauer von mehreren Tagen mit relativ langen Zwischenräumen zwischen den Therapiesitzungen zu behandeln. Dr. Baker hat festgestellt (5), daß die Patienten, die er auf diese Weise behandelt hat, mindestens so gut vorankamen, wie die, die er regelmäßig wöchentlich oder vierzehntägig sah. Die ideale und funktionellste Methode, die manchmal von Reich angewendet wurde, wäre es, Frequenz und Dauer der Sitzungen ausschließlich an den Bedürfnissen des Patienten auszurichten, wie sie sowohl durch den Patienten als auch durch den Therapeuten korrekt wahrgenommen werden. In Anbetracht der Zwänge ihres geschäftigen und von anderen Verpflichtungen geprägten Lebens ist solch ein Ideal jedoch für die meisten Therapeuten und Patienten nicht praktikabel.
Ärztliche Erfahrungen mit bio-psychiatrischer Intensivtherapie
Im Verlauf der letzten zwei Jahre wurden 18 Patienten in Abständen von acht bis zehn Wochen mit einem Durchschnitt von fünf 45-minütgen Sitzungen behandelt, die in einem Zeitraum von sechs oder sieben Tagen komprimiert waren. Das waren Leute, die in einer bedeutenden räumlichen Entfernung vom Therapeuten lebten, was es für sie unpraktikabel machte, regelmäßig zu therapeutischen Sitzungen zu kommen. Zwei Patienten hatten nur drei Sitzungen pro Reihe, während drei andere sogar sieben hatten. Bislang haben bis auf vier alle die Behandlung fortgesetzt. Ein Patient brach die Therapie aus unklaren Gründen ab; zwei Patienten beendeten die Therapie nach der ersten Reihe von Sitzungen; und ein anderer nahm die Therapie nicht wirklich ernst und beendete sie nach zwei Sitzungen. Die zwei, die nach der ersten Reihe von Sitzungen abbrachen, hatten mehr an Ausbildung als an Behandlung gedacht.
In vieler Hinsicht unterschieden sich Patienten, die intermittierende Behandlung suchten, kaum von denjenigen, die regelmäßig jede Woche zur Therapie kommen. Beide Gruppen stimmten hinsichtlich Geschlechterverteilung, Alter, Intelligenz und sozioökonomischen Verhältnissen überein. Die Gründe für den Wunsch nach Therapie waren wie üblich Unzufriedenheit mit dem Liebesleben und Schwierigkeiten bei der Arbeit oder in der Schule. Sie repräsentierten auch einen ziemlich typischen Querschnitt an Charakterformen, die zur Behandlung kommen. Es gab jedoch auch bedeutende Unterschiede: sie waren weniger abhängig und neigten weniger zum Klagen als andere Patienten und sie schienen entschlossener zu sein, ihren Weg im Leben zu gehen. Diese Motivation an und für sich hatte schon dafür gesorgt, diejenigen auszusortieren, die die Behandlung nicht ernst nehmen und denen es an Entschlußkraft fehlt. Baker (1) glaubte, daß der eigene Wille, gesund zu werden, die Conditio sine qua non für die erfolgreiche Behandlung und der entscheidende Faktor für den Ausgang der Therapie darstellt.
Die Patienten, die intermittierende Intensivbehandlung aufsuchten, hatten viele Werke Reichs gelesen und hatten einen unmittelbaren Zugriff zu den energetischen Prinzipien und der Wahrheit, die er entdeckt hatte. Es trifft zwar zu, daß dieser unmittelbare Zugang es weniger notwendig machte, sich mit Zweifeln bezüglich der theoretischen Grundlagen, die der Therapie zugrunde liegen, zu beschäftigen, jedoch blieb statt dessen anderes zu klären. Weil die Orgontherapie die reale Möglichkeit einer radikalen Änderung in Aussicht stellt, gab es einige, die glaubten, daß es nicht lange dauern würde, bis es zu einer vollkommenen Umformung käme, die sie in völlig gesunde Charaktere verwandele. Bei diesen Patienten war es notwendiger, falsche Auffassungen und mystische Einstellungen aufzudecken und aufzulösen, als bei denen, die in wöchentlicher Folge behandelt wurden. Der Fortgang der Behandlung selbst trug viel dazu bei, daß sie die Therapie weniger in Begriffen einer vollkommenen "Heilung" und statt dessen mehr als einen Prozeß betrachteten, der Expansion hervorruft und sie ständig zu einem höheren Funktionsniveau hinführt. Wie so viele Dinge, die Vorteile als auch Nachteile haben, war es ihr starker Glaube an die Therapie, der einerseits bei ihrer Behandlung half, andererseits es jedoch notwendig machte, ihnen nahezubringen, daß Therapie ein langsamer Prozeß sein muß.
Eine andere Eigenschaft dieser stark motivierten Patienten war ihr Wunsch, wirklich zu wachsen, echte Veränderungen ins rollen zu bringen, nicht nur von ihrem Kummer entlastet zu werden. Es gab unter ihnen niemanden, der wegen akuter Beschwerden in Behandlung kam und nur wiederhergestellt werden wollte. Sie schienen mehr einem Ich-Ideal, so wie sie gerne sein würden, zu folgen. Das war eine Qualität, die ihre Behandlung auch ferner bestimmte.
Einen Tag nach dem anderen mobilisieren die Therapiesitzungen sehr viele Gefühle und rufen starke biophysische Reaktionen hervor. Die Patienten, die sich für eine Intensivbehandlung entschieden, erwarteten in gewisser Hinsicht diese Reaktionen und es scheint so, daß sie bereitwilliger waren, starke Gefühle zuzulassen. Die erste Reihe von Sitzungen, bevor sie lernten, wie man sich gegen die Therapie verteidigen kann, erzeugte immer eine große Wirkung (eine, die nicht in Vergessenheit geriet). Der starke, manchmal ziemlich dramatische Eindruck, überzeugte auch jene, die eine gewisse Skepsis in sich trugen, davon, daß dies eine Therapie mit Durchschlagskraft ist. Am Ende der ersten Reihe waren die meisten mit einer Menge vergrabener Emotionen in Kontakt gekommen und einige hatten traumatische Episoden aus der Kindheit noch einmal durchlebt. Alle kamen mit den Sitzungen gut zurecht und bei keinem kam es nach einer Behandlungsreihe zu einer größeren Kontraktion. Intensivbehandlung zwingt den Organismus in einen hochgeladenen Zustand hinein und dicht aufeinanderfolgende Sitzungen können eine ziemliche Expansion hervorrufen. Patienten wurden ermutigt, dadurch den Prozeß zwischen den Behandlungsreihen fortzusetzen, indem sie aktiv blieben, den Kontakt aufrecht erhielten, Risiken eingingen und Angstgefühle zuließen. Gewiß fühlten sie sich nicht immer gut, aber sie fühlten unweigerlich mehr.
Es scheint, daß intermittierende Intensivbehandlung ein größeres Verlangen hervorruft, tiefe Gefühlszustände von neuem zu spüren, wieder über sie zu verfügen, trotz der Unannehmlichkeiten, die manchmal mit diesem Prozeß einhergingen. Sitzungen, die nahe beieinander liegen, vermitteln den Patienten die Gewißheit, daß man sie in ein oder zwei Tagen wiedersieht. Das erlaubt ihnen, hart an sich zu arbeiten und stärkere Reaktionen zu erfahren, was eine kumulative Wirkung zeitigt. Mit einer Sitzung nach der anderen ist die Tendenz weniger ausgeprägt, nach den Sitzungen sich wieder zu verschließen. Entsprechend tolerieren sie am Ende einer Reihe ein höheres Expansionsniveau. Es scheint auch so zu sein, daß Patienten, die in diesem intermittierenden Modus behandelt werden, mehr dazu geneigt sind, die Wirkung zwischen den Behandlungsreihen mit Augenübungen, Auslösen des Würgereflexes und körperlicher Bewegung aufrechtzuerhalten, aber das kann teilweise auch Ausdruck ihres starken Antriebes und des Entschlusses sein, gesund zu werden.
Ein Wort der Vorsicht ist angebracht. Durch das Freisetzen tiefliegender Emotionen kann die Behandlung in konzentrierter Form starke Reaktionen hervorrufen und normalerweise tut sie das auch. Derartige Emotionen gehen mit heftigen biophysischen Reaktionen einher. Medizinische Orgontherapie verlangt, insbesondere wenn sie in intensiver Form angewandt wird, nach einer umfassenden Ausbildung und großer Erfahrung. Der Patient muß schon während der Anfangsphase der Therapie verstanden werden, insbesondere, wenn er schwer krank, psychotisch oder suizidal ist, da in diesen Fällen nicht der kleinste Spielraum für Fehler bleibt.
Täglicher Kontakt versorgt den Therapeuten mit dauerndem Feedback und einer guten Vorstellung dessen, wie viel der Patient erdulden kann, was eine bessere Verteilung der biophysischen Arbeit von Sitzung zu Sitzung möglich macht. In den anfänglichen Sitzungen gibt es gewöhnlich viel zu besprechen, nachdem der Patient seit so vielen Wochen keine Behandlung gehabt hatte, aber in den späteren Sitzungen gibt es nicht viel neues, das zu besprechen wäre, und die Therapie kann direkt zur biophysischen Arbeit voranschreiten. Das ist bei jenen Patienten, insbesondere bei Hysterikerinnen und Charakteren mit unbefriedigten oralen Blockierungen, von nutzen, die jede Woche versuchen, die biophysische Arbeit zu meiden, indem sie die Sitzung mit dem Widerkäuen längst behandelten Materials füllen.
Ein anderes Element bei dieser modifizierten Therapie ist die neue Frische, mit der jede Behandlungsreihe angegangen wird, so daß es nie zu der Routine zu kommen scheint, die sich bei wöchentlichen Sitzungen einschleicht. Jede Reihe beginnt mit frischer Begeisterung sowohl von seiten des Patienten als auch des Therapeuten. Die erhöhte Motivation sorgt für eine energiegeladene Atmosphäre und steigert zumindest anfangs den Kontakt. Da die meisten Patienten, die intermittierend behandelt werden, in einigem Abstand vom Therapeuten leben und extra wegen der Behandlung kommen, beschert ihnen die Woche, die sie von zuhause weg sind, eine Unterbrechung der üblichen Routine. Dieser Tapetenwechsel und eine Tagesordnung, auf der nur die Therapie steht und der es an Langeweile und dem üblichen Leerlauf fehlt, hilft ihnen, die Wirkungen der Behandlung aufrechtzuerhalten und fördert eine bessere Konzentration auf Wahrnehmen und Fühlen.
Aufeinanderfolgende Sitzungen eignen sich gut zur charakteranalytischen Arbeit und durch das gute Erinnern an Details bleibt die Kontinuität erhalten. Das Material neigt weniger durch die Zeit und dazwischen liegende Ereignisse verwischt zu werden, wie es manchmal der Fall ist bei Sitzungen, zwischen denen ein gewisser Abstand liegt. Charakterzüge, jene tief verwurzelten Einstellungen und Verhaltensmuster, treten dem Therapeuten plastischer vor Augen, was der Behandlung ein klareres Relief verleiht. Die Analyse des Charakters, die beharrliche und gründliche Aufmerksamkeit erfordert, kann manchmal der Hauptfokus oder das Hauptthema einer Reihe von eng aufeinanderfolgenden Sitzungen werden. Konzentrierte Therapie ist gut geeignet, sich mit Fragen des Charakters zu befassen, weil weniger Druck da ist, endlich mit der biophysischen Arbeit zu beginnen. Man weiß, daß es dafür genug Zeit in anderen Sitzungen geben wird. Aber neben den Vorteilen gibt es bei der intermittierenden Behandlung auch Nachteile: anders als in der wöchentlichen Behandlung gibt es nicht das gelegentliche Besprechen und Eruieren des alltäglichen Flusses der Ereignisse.
Intensivtherapie stellt erhöhte Anforderungen nicht nur an den Patienten, sondern auch an den Therapeuten. Starke charakterologische und biophysische Reaktionen treten zu tage und es ist eine Herausforderung, dem Patienten zu folgen, in Kontakt zu bleiben und auf die richtige Weise fortzufahren. Starke Reaktionen verlangen ein gutes klinisches Urteil und die ständige Mitarbeit des Patienten. Und wenn der Therapeut täglich viele Patienten sieht, kann er müde und ausgelaugt werden.
Es gibt einige Patienten, für die diese Behandlung weniger geeignet ist:
- Phallische Charakterformen müssen zusammenbrechen und durch gesunde Kanäle wieder aufgebaut werden. Sie hätten schwierige Zeiten durchzustehen ohne die Unterstützung einer regelmäßigen Behandlung. Sie könnten, doch wäre es ohne regelmäßig angesetzte Sitzungen schwierig.
- Psychotische Charakterformen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß es zu einer ernsthaften Dekompensation kommen kann, müssen einverstanden sein, sich freiwillig in eine psychiatrische Klinik zu begeben, wenn sie an einen Punkt gelangen, an dem sie nicht weiterwissen. Natürlich reicht das Telefon überall hin und man kann immer ein Ohr und Rat finden. Diese jederzeitige Verfügbarkeit beruhigt.
- Jeder ist während der Therapie Krisen unterworfen und der Therapeut sollte für den Patienten erreichbar sein, um ihn zu unterstützen und ihm zu helfen, sich mit der Situation auf eine vernünftige Weise auseinanderzusetzen. Um es nochmals zu sagen: es ist erstrebenswert, aber nicht unbedingt notwendig. Zuweilen frage ich mich, ob Patienten nicht um mehr Unterstützung nachfragen, als eigentlich erforderlich ist, wir das als Therapeuten auch noch unterstützen – und damit eine ungesunde Abhängigkeit und den Mangel an Selbstständigkeit fördern. Es ist Aufgabe der Therapie, den Patienten von seinem neurotischen Charakter zu befreien und unabhängig von Therapie zu machen. Und jene, die intermittierende Behandlung wählen, scheinen mehr von dieser selbstständigen Qualität in ihrem Charakter zu haben. Sie kommen, obwohl sie wissen, daß es lange Strecken ohne Behandlung geben wird und sie akzeptieren die Behandlung unter diesen Bedingungen.
- Es gibt einige Patienten, die sehr tiefe Schichten der Traurigkeit erreichen, eine Schwermut, die gut verborgen sein kann, doch diese Sehnsucht und Einsamkeit tritt im Laufe der Therapie zutage. Derartigen Patienten wäre mit häufigen, periodischen Sitzungen besser gedient, um die Befreiung dieser Gefühle zu fördern.
- Keiner der Patienten, der intermittierend behandelt wird, hat bereits das Becken, die Schlußphase der Therapie erreicht. Ohne Frage wäre dann die jederzeitige Verfügbarkeit von Behandlung angebracht. Aber wenn der Wille zur Gesundung stark genug ist und wenn der Patient so weit in der Therapie vorangekommen ist, vermute ich, daß ein Weg gefunden wird, um an die notwendige Behandlung zu kommen.
Da die Behandlung unregelmäßig erfolgt, zögere ich nicht, Hilfstechniken zum Einsatz zu bringen. Entsprechend werde ich versuchen, die aktive Zusammenarbeit des Patienten bei seiner Behandlung zu gewinnen, so daß er alles in seiner Macht stehende tut, um den therapeutischen Prozeß fortzusetzen:
- Augenübungen und tägliches Auslösen des Würgereflexes.
- Häufige Schauer oder Bäder.
- Körperliche Ertüchtigung, insbesondere Schwimmen oder Joggen.
- Ich bestärke sie, auf der Arbeit oder in der Schule auszuharren, da es ihnen hilft, Kontakt aufrechtzuerhalten und das Selbstvertrauen dadurch fördert wird.
- Ich fördere auch das Eingehen von Risiken und das Tolerieren der sich daraus ergebenden Angst.
- Manchmal stelle ich Hausaufgaben, um die Aufmerksamkeit des Patienten auf einen besonderen Aspekt seines Charakters zu richten.
- Ausgewählte Patienten würde ich von der Teilnahme an verantwortungsbewußt und gut geführten Workshops nicht abraten.
- Sollte ein Patient eine Sitzungsreihe mit negativen Gefühlen beendet haben, bitte ich ihn manchmal darum, mir alle seine negativen Gedanken über mich und die Therapie zu schreiben. Das hilft, die negative Übertragung aufzulösen und für die Fortführung der Behandlung den Weg zu ebnen.
- Und ich ermuntere sie dazu, angenehmen Beschäftigungen nachzugehen, das Leben so gut wie irgend möglich zu genießen, es sich gut gehen zu lassen und zu expandieren.
In keinem Fall glaube ich, daß diese Aktivitäten im Konflikt mit der medizinischen Orgontherapie stehen. Solange wir nicht Genitalität und orgastische Potenz aus den Augen verlieren, wenn wir charakteranalytische Methoden einsetzen, die negative Übertragung auflösen und energetisch arbeiten, um die Panzerung aufzulösen, können wir eine breite Auswahl von Techniken und Methoden einsetzen.
Zusammenfassend kann man sagen, daß, wenn die restlichen Faktoren insgesamt gleich bleiben, Fortschritt in der Therapie vermutlich proportional zur Zahl der Therapiesitzungen ist. Jedoch können anscheinend bestimmte Menschen, die starken Antrieb und Entschlußkraft besitzen, von einer intermittierenden Form der Behandlung profitieren. Es gibt Beschränkungen, die dieser Behandlungsmethode innewohnen, aber jene, die für intensive Sitzungen charakterologisch und biophysisch geeignet sind, hat sie eindeutige Vorteile. Und in Anbetracht der Nachfrage nach medizinischer Orgontherapie und der Knappheit von qualifizierten Therapeuten, kann intermittierende Intensivbehandlung den Bedarf einiger jener decken, die sonst nicht behandelt werden könnten.
Literatur
- Baker, E.F. 1967: Der Mensch in der Falle. München: Kösel-Verlag, 1980
- Reich, W.: Charakteranalyse, Köln: KiWi, 1989, 418-432
- Baker, C.F. und Lance, L.: "The Mystique of Health", Annals of the Institute for Orgonomic Science, 2, 1985
- Handbook of Psychotherapy and Behavioral Change and Empirical Analysis (2nd edition), S. L. Garfield and A. E. Bergen, eds. New York: John Wiley & Sons, Inc., 1978
- Persönliche Mitteilung von Dr. Elsworth F. Baker
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